BTHV’erin heute im GA: Bonner Ruderin Valerie Viehoff gewann 2000 in Sydney Silber

Foto:Valerie Viehoff (links- echt?)) bei der Verleihung des Silbernen Lorbeerblatts durch Bundespräsident Johannes Rau (Mitte) und Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Valerie hat viele Jahre mit ihren Brüdern im BTHV Hockey gespielt – sie hätte auch im Hockey Karriere machen können und war sehr talentiert. Und wie viele andere Ex-BTHVerInnen lebt sie heute in London.

Untenstehend der Artikel im heutigen GA:

„Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.“ Dieses Zitat des großen Wilhelm Busch trifft in besonderem Maße auf Valerie Viehoff zu. Wer hätte gedacht, dass die gebürtige Bonnerin einmal Karriere als Ruderin machen und sogar Olympia-Silber holen würde? Wer hätte gedacht, dass sie als eher frankophiler Mensch ihren Lebensmittelpunkt einmal in die englische Metropole London verlegen würde? Sie selbst jedenfalls nicht. Und auch nicht, dass sie in Anbetracht eines Mangels an Fachpersonal einmal als Geografielehrerin an einer Grammar School auf der Insel landen würde. Denn: „Lehrerin wollte ich auf keinen Fall werden, Lehrer waren meine Eltern. Ich habe auf Magister studiert“, erklärt Viehoff und muss lächeln.

Sportinteressiert ist die heute 46-Jährige („Wir haben seinerzeit in Kessenich gewohnt“) schon in ihrer Schulzeit am Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium (FEG), die sie mit einem deutschen Abitur und einem französischen Baccalauréat abschließt. Sie turnt gern, sie spielt Hockey, doch zum Rudern findet sie in der sechsten Klasse erst über ihre beste Freundin Jessica, die sich dem Schüler-Ruder-Club (SRC) am FEG anschließt und Valerie quasi „mitschleift“. Die Anfänge lassen freilich nicht gerade darauf schließen, dass in ihr ein Riesentalent heranwächst. „Bei den Schnupperwochenenden auf den Rheinauenseen bin ich ständig in die Entengrütze gefallen“, erinnert sich Viehoff, die seit 2013 dauerhaft in London lebt. „Aber so ist das nun mal: Wenn du das Rudern lernst, plumpst du erst mal ins Wasser.“

 

Dass sie dennoch bei der Stange bleibt, „obwohl ich auch technisch nicht gerade der Superstar war“, ist zum einen der Tatsache geschuldet, „dass du beim Rudern nach den Trainingseinheiten am Bootshaus rumhängen und immer mit Jungs reden konntest“. Zum anderen ist es aber auch dem SRC zu verdanken mit all den Freiheiten, die der von den Schülern verwaltete Verein bietet.

„Es war eine Art Montessori-Prinzip, bei dem die älteren Schüler den Jüngeren nicht nur das Rudern beibrachten, sondern auch, wie man alte Holzboote repariert oder eine Ruder-Wanderfahrt organisiert.“ Die Mitglieder treffen sich auf dem Rhein, ohne feste Trainingsvorgaben. Bald findet sich eine reine Mädchencrew zusammen, die auf der Rheinregatta von Neuwied nach Bonn allen Jungs davonrudert. Herbert Henneberg, Trainer beim Siegburger Ruderverein (SRV), schlägt Valerie daraufhin vor, doch mal Rennrudern zu probieren, und lockt sie damit, dass sie nur zweimal pro Woche trainieren muss. „Bei allen Bonner Clubs haben sie mir gesagt, dass ich vier- bis fünfmal trainieren müsste. Ich wollte aber meine anderen Hobbys nicht aufgeben“, erinnert sich Viehoff.

Mitglied beim SRV ist sie noch immer, „aber damals bin ich wirklich lediglich zum Rudern nach Siegburg gefahren“. Von der Stadt kennt sie „nur Bahnhof, Bootshaus, die Sieg und das Restaurant Siegblick – der Feiern und des guten Essens wegen“.

Und zu feiern gibt’s für Viehoff in der Folgezeit einiges. 1994 gewinnt sie im Doppelvierer der offenen Gewichtsklasse den Junioren-Weltmeistertitel. Nach dem Wechsel zu den „Erwachsenen“ wird sie 1997 und 2002 deutsche Meisterin im Einer, 2000 siegt sie mit der Dresdnerin Claudia Blasberg im Doppelzweier. Bei der WM 1998 in Köln steht sie zwischenzeitlich als Mitglied des Leichtgewichts-Doppelvierers ganz oben auf dem Treppchen, 1999 wird sie im Leichtgewichts-Einer WM-Vierte.

„Zunächst bin ich in der normalen Gewichtsklasse gefahren und gehörte im Doppelvierer dem Nationalteam an“, erklärt Viehoff. Vor den Olympischen Spielen 2000 in Sydney/Australien aber kommt die unliebsame Überraschung: „Als ich mit meinen Eltern von einem Kurztrip aus Moskau zurückkam, hatte der Bundestrainer entschieden, dass ich nicht mehr in diesem Boot sitzen und stattdessen wieder im Leichtgewicht rudern sollte.“ Das bedeutet für die 1,75 Meter große und zu dieser Zeit 64 Kilogramm schwere Athletin eine Zäsur, zumal sie gutem Essen nicht abgeneigt ist. „Ich musste mich auf 57 Kilo runterhungern, musste mehr trainieren, Pfunde abschwitzen.“

Eis als Spezialdiät

Dennoch findet sie eine bemerkenswerte Strategie, nicht allen Leckereien zu entsagen: Sie sucht weiterhin ihre geliebten Eisdielen auf. „Die Theorie war: Wenn du genug Eis isst, kühlt der Körper ab und muss mehr Energie aufwenden, um wieder warm zu werden. Auf diese Weise nimmst du ab“, erzählt sie und lacht. „Das war natürlich kompletter Blödsinn, aber so haben wir es uns schöngeredet.“

Realität sei dagegen, so die 46-Jährige, „dass die meisten Leichtgewichte gern essen. Nach dem Wettkampf findest du bei ihnen das beste Essen mit selbst gebackenem Kuchen, reichlich Sahne und so weiter“.

Trotz Eis und Kuchen schafft es die Bonnerin, sich gemeinsam mit Blasberg für den Leichtgewichts-Doppelzweier bei den Olympischen Spielen „Down Under“ zu qualifizieren. Und sie wird ihrer Nominierung vollauf gerecht: Nach einem spannenden Endlauf auf der etwas außerhalb von Sydney gelegenen Regattastrecke reicht es in einem Wimpernschlag-Finale hinter Rumänien zu Silber – zu ihrer Überraschung vor den Augen ihres Vaters und ihrer Brüder, von denen einer seine ganze Schulklasse im Schlepptau hat: eine Studienfahrt der besonderen Art.

Aber nicht nur deshalb hat Viehoff ausschließlich positive Erinnerungen an Sydney 2000: „Als wir nach dem Abschluss unserer Wettkämpfe ins olympische Dorf umgezogen sind, hatten es mir – natürlich – vor allem die Essenszelte angetan. Da gab es rund um die Uhr von Müsli über chinesische Spezialitäten bis hin zu McDonald’s Food alles.“

Und noch etwas ist Viehoff, die 2001 vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet wird, im Gedächtnis geblieben. „Wir konnten für Ansichtskarten an unsere Familien und Freunde Briefmarken mit unserem eigenen Konterfei designen, die dann zusammen mit einer regulären Marke aufgeklebt wurden.“ Zudem sei sie im olympischen Dorf „zum ersten Mal in meinem Leben zu einem Friseur gegangen; sonst hat mir meine Mutter immer die Haare geschnitten“.

Parallel zum Sport geht es auch beruflich steil bergauf, wenngleich die Bonnerin ihr Medizin- und Romanistikstudium rasch wieder beendet und zu Geografie und Komparatistik wechselt. „Das Medizinstudium ließ sich vom zeitlichen Aufwand her nicht gut mit dem Rudern vereinbaren“, berichtet sie. „Manchmal denke ich aber heute noch, ich hätte dabei bleiben sollen – vor allem, weil meine Freundin Jessica jetzt Ärztin ist.“

Promotion in London

Viehoff treibt ihre Studien in Bonn, Mainz und Dijon/Frankreich voran, promoviert 2003 als Geografin am University College London. „Dorthin bin ich gekommen, weil einer meiner Brüder damals in Oxford studierte und mein damaliger Freund in Cambridge studieren wollte.“ Als sie erzählt, dass sie „ein bisschen rudern kann“, bringen die Engländer sie mit Athleten aus dem britischen Nationalteam zusammen. „Dabei wollte ich aufhören“, sagt sie. Doch daraus wird nichts: Sie nimmt an der Henley Royal Regatta und am „Head-of-the-River-Race“ teil, wird 2004 englische Meisterin im Doppelvierer und Vizemeisterin im Doppelzweier.

 

Danach pendelt sie zwischen England und Deutschland, ar­beitet zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Köln, ehe sie der Ruf an die University of East London ereilt, um an einem Projekt zur Nachhaltigkeit Olympischer Spiele teilzunehmen. „Anschließend war ich wieder zwei Jahre an der Uni Bonn angestellt“, sagt sie, „aber die Hälfte der Zeit habe ich in Sheffield verbracht.“ Diesmal für ein Projekt zum Fertigessen. „Wir haben untersucht, wie die Leute die Verwendung von Fertigprodukten rechtfertigen. „Geografen machen halt alles Mögliche.“

Dass sie 2013 endgültig in London „hängen bleibt“, ist indes weder Beruf noch Sport geschuldet. „Die Stadt hat mir anfangs gar nicht gefallen. Ich fand sie laut und hektisch. Aber dann verliebst du dich plötzlich, und jetzt, 19 Jahre nach dem ersten Besuch, bin ich immer noch hier.“

Mit ihrem Mann Steven und ihren Söhnen Julien (11) und Leon (9) lebt Vie­hoff in Bromley im Süden Londons. Ihren Mädchennamen hat sie behalten – aus einem ganz einfachen Grund: „Stevens Familienname lautet tatsächlich Tod. Aber ich wollte nicht unbedingt Dr. Tod heißen.“

Sportlich aktiv ist Valerie Viehoff immer noch, auch wenn sie nicht mehr rudert. Sie läuft, schwimmt und fährt Rad. Ihre Kinder haben sich dem Rugby und Tennis verschrieben. „Das Rudern kommt vielleicht noch“, sagt sie. „Ich habe ja auch erst mit zwölf angefangen.“

Wolfgang Ley

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